Gianni: „Ich habe kein Hemd“

Gianni, Captain's Inn Bar, Frankfurt
Gianni, Captain’s Inn Bar, Frankfurt

Der Eingang zur Captain’s Inn Bar im Frankfurter Stadtteil Rödelheim ist unscheinbar. Eine Straße im Wohnviertel, ein kleiner baumumstandener Parkplatz, ein paar Schnappschüsse ehemaliger Gäste an der Wand, eine Treppe hinunter. Dann aber taucht man ein in eine für Frankfurt seltene maritime Atmosphäre, in der der Wirt Gianni sofort den Rang von Seemännern verleiht.
Seinen vollen Namen nennt er nicht, braucht er nicht in dieser Welt überbordender Lebenslust und Illusion.
Seit mehr als zehn Jahren ist Gianni Besitzer der Captain’s Inn Bar, die in einem über 100 Jahre alten Gewölbe-Weinkeller eingebaut ist und in der der Kaminofen in der kalten Jahreszeit heizt. Aussparungen in der gerundeten Decke sind mit Spiegeln in Bullaugen geschmückt. Man sitzt auf Barhockern an Weinfässern oder hockt auf Bänken. Das warm temperierte Licht sieht man in Hafenkneipen, in die sich raubeinige Seemänner bei herbstlichen Regenschauern retten.

In der Captain’s Inn Bar kommen alle Altersgruppen zusammen, Studenten ebenso wie treue Gäste, die das Rentenalter bald erreicht haben und das Leben genießen oder ihm ein Schnippchen schlagen.

Das Meer ist das Thema des Abends, jeden Abends. Das Meer ist Thema von Gianni. In der Mitte des kleinen Raums ist ein Schiff an der Wand angebracht, das Spendenschiff der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). In der „Hausordnung“ heißt es: Küsse sind spendenpflichtig. Und der Captain läutet stets die Schiffsglocke, wenn jemand gespendet hat. Das Blechschiff ist jedes Jahr voll.

Die Captain’s Inn Bar lädt zur maritimen Fantasiereise ein

Gianni liebt das Ungefähre, das Bildstarke, das Mystische, Komödiantische aber auch das Geheimnisvolle. Es reicht ihm, um Menschen einzuladen und Distanz zu halten in dieser kleinen Frankfurter Unterwelt.

Gianni, dessen Name vom griechischen Ioannis (dt. Johannes) herrührt, kommt aus Griechenland, dem Land, wie er betont, dem viele Deutsche kulturhistorisch etwas mehr Wertschätzung entgegenbringen könnten. In seiner Kneipe bietet Gianni mediterrane Tapas, Pasta und Salat an. Giannis Spezialität sind die Mittelmeersardellen mit Salat. Regelmäßig gibt es Live-Musik wie von Milan, ergraut und erfüllt mit einer herzerweichenden Musikalität. Der Einlass ist frei, Gianni bittet nur um eine Spende für die Künstler.

Der Captain unterhält sich mit all seinen Gästen, kommt zum Klönschnack an den Tisch und gibt ein paar Ansichten eines weit gereisten Seemannes zum Besten, den es wieder auf die See zieht. Maritime Illusionen frei Haus, dienstags bis samstags.

Aber Gianni ist am nächsten Tag wieder in seiner Kneipe und begrüßt die Gäste und würde scheinbar am liebsten jeden als Held ehren und mit Epauletten schmücken, würde am liebsten die ganze Welt umarmen, weil er das Leben und die Menschen so liebt. Im Stillen bezeichnet sich Gianni jedoch als jemand, der privat eher vor Menschen flieht. Vielleicht ist es Koketterie, vielleicht rührt es von seinem Leben in der Captain’s Inn Bar her, vielleicht waren es auch zehn lange Jahre in Frankfurt-Rödelheim. Gianni hält so aber Distanz, die für ihn lebenswichtig ist.

Und dann erzählt Gianni die Geschichte vom missmutigen König, dem auf der Suche nach Glückseligkeit geraten wurde, das Hemd desjenigen Untertanen zu kaufen, der am glücklichsten wäre. Nach langer Suche stieß der König auf einen armen Bauern, der in großer Fröhlichkeit seine Arbeit verrichtete. Auf das Angebot des Königs, sein Hemd zu kaufen, entgegnete der Mann: “Ich kann Ihnen mein Hemd nicht verkaufen. Ich besitze keines”.

Auch Gianni sagt über sich: “Ich habe kein Hemd.”

 

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5 Gedanken zu „Gianni: „Ich habe kein Hemd“

  1. Wirklich schön. Ein liebevolles Portrait. Ich freue mich schon, wenn die Sommerpause vorbei ist und Gianni von den sieben Weltmeeren oder sonst wo her zurückkommt.

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